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Jede Tasse offenbart eine neue Nuance

Jahrtausendealte Tradition: Bei der chinesischen Teezeremonie scheint die Zeit stillzustehen



Königstein – Leises Klirren feiner Porzellantassen, der Duft von Jasmin. Ein Hauch von Goldhonig liegt in der Luft. Das ist am Nachmittag im Zentrum der Volkshochschule in Königstein zu spüren. Für den Kurs der chinesischen Teemeisterin Fang Yang sowie der Kulturbotschafterin Yingting Fan-Güldner haben sich die Räume in eine Oase fernöstlicher Gelassenheit verwandelt, in der die beiden zu einer Reise in die jahrtausendealte Welt der chinesischen Teekultur eingeladen. „Einer Welt zwischen Tradition, Natur und Achtsamkeit“, wie sie berichten.


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Die Frauen tragen traditionelle Kleider. Auf dem Tisch ausgebreitet sind getrocknete Teesorten. Die Teemeisterin legt eine bemalte Bambusmatte vor sich, winzige Schalen, Teedosen und einen filigranen Gaiwan aus: die klassische chinesische Schale mit Deckel. Dazu ein schlanker Wasserkessel, aus dem leise Dampf aufsteigt. Alles hat seinen Platz, jede Bewegung eine Bedeutung.


„Die Teephilosophie vereint Harmonie, Respekt, Klarheit und Stille“, erklärt Fang Yang, während sie den Aufguss des zart duftenden Jasmin-Tees „Schmetterlinge im Bauch“ vorbereitet. Yingting Fan-Güldner übersetzt: „Aus der Stille entspringt die Weisheit. Im Tee finden wir die Balance zwischen Körper, Geist und Natur.


Ruhig gießt Fang Yang das heiße Wasser über die handgepflückten Teeblätter, lässt sie atmen, entfalten, und füllt dann die kleinen Porzellantassen, die Yingting Fan-Güldner mit ruhigen Händen weiterreicht. „Wie schmeckt Ihnen der Aufguss?“, fragt sie die Runde.


Mal blumig, mal honigsüß, mal herb.


Sechs Teilnehmer nippen vorsichtig, halten kurz inne, atmen den feinen Duft ein. „Nach Blüten“, sagt eine Frau. „Ein bisschen wie Urlaub“, ergänzt der Sitznachbar. Yingting Fan-Güldner nickt zufrieden. „Der zweite Aufguss ist der intensivste“, übersetzt sie. „Jetzt zeigt der Tee sein Herz.“


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Der Raum ist erfüllt von stiller Konzentration. Der Tee dampft, duftet, leuchtet. Jede Tasse offenbart eine neue Nuance. Mal blumig, mal honigsüß, mal leicht oder herb.


Sieben Aufgüsse lang erschmecken die Teilnehmer die verschiedenen Geschmacksstufen, von sanft bis kräftig. Gereicht wird später auch Teegebäck. Dazwischen erzählen die beiden Teemeisterinnen von der langen Reise des Tees. Vom Pflücken auf den Hügeln Chinas übers kunstvolle Trocknen bis hin zur sorgfältigen Lagerung. Guter Tee, so erklären sie, wird von Hand gepflückt: „Blatt für Blatt, ohne Stängel, ohne Bruch. Im Tee steckt Geduld, Hingabe und Achtung vor der Natur.“


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Auch die Kunst der Zubereitung wird vermittelt: die richtige Wassertemperatur, die Bedeutung des Teegefäßes, das kurze Spülen der Blätter – ein Ritual der Reinigung. Die Teilnehmer erfahren, dass selbst das Halten der Tasse Teil der Zeremonie ist, Ausdruck von Achtsamkeit und Respekt gegenüber dem Getränk und dem Moment.


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Beim abschließenden schwarzen Tee „Gold Honig“ entfaltet sich schließlich eine warme, fast erdige Note. Sie symbolisiert den Einklang von Yin und Yang. Und während sich der Geschmack auf der Zunge entfaltet, scheint auch die Zeit stillzustehen. Zum Schluss dürfen die Teilnehmer selbst aktiv werden: Unter Anleitung führen sie ihre eigene Teezeremonie durch, eine Übung in Achtsamkeit, Präzision und Stille. Die Bewegungen werden langsamer. Eine besondere Ruhe breitet sich aus, als sich die Teedüfte mischen.


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Die Teezeremonie ist eine Brücke zwischen Menschen und Kulturen. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Harmonie entsteht dort, wo Klarheit und Stille ihren Platz haben. Wer an diesem Nachmittag dabei war, wird den Geschmack dieses Moments nicht so schnell vergessen. Den feinen Nachklang aus Wärme und Klarheit, der lange nachhallt. Ein leiser Gruß aus der Stille. ESTHER FUCHS


Quellenangabe: Taunus Zeitung vom 31.10.2025, Seite 28

Vielen Dank an Frau Fuchs für diesen wunderbaren Bericht in der Tanus Zeitung.

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